Innovation trotz Krise: Warum die Bordnetzbranche in Corona-Zeiten investieren muss

Corona hat die Automobilindustrie schwer getroffen. Dennoch dürfen Bordnetzproduzenten ihre angedachten oder geplanten Innovationsprojekte jetzt nicht einfach kassieren. Die großen Herausforderungen der Branche bestanden bereits vor der Pandemie und müssen bewältigt werden. Dabei kann die Krise auch eine Chance sein, neue Ideen zu diskutieren und auszuprobieren.

Innovationen sind kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, wenn Unternehmen langfristig erfolgreich sein wollen. Trotzdem stellen sie in Krisensituationen oft ihre Innovationsprojekte zur Disposition, weil diese großen Investitionen erfordern und Umsätze oder Einsparungen noch in der fernen Zukunft liegen. Natürlich ist es richtig, Investitionen und Projekte auf den Prüfstand zu stellen, um ein Unternehmen durch eine Krise zu bringen. Doch dürfen kurzfristiges Denken und Handeln nicht die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens aufs Spiel setzen, weil dringend notwendige Veränderungen nicht stattfinden.

Das gilt insbesondere für die Automobilindustrie, die bereits vor Corona einigen großen Herausforderungen gegenüberstand. So ist etwa das Bordnetz aktueller Fahrzeuge wegen der zunehmenden Zahl an Fahrassistenzsystemen und elektrischen oder hybriden Antrieben kein einfaches Standardprodukt mehr, sondern eine hochkomplizierte und sicherheitskritische Komponente. Mehrere Kilometer Kabel stecken in einem modernen Fahrzeug, darunter unzählige Spezialkabel mit besonderen Eigenschaften und hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen.

Ohne eine stärkere Automatisierung können Bordnetzproduzenten diese Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen nicht mehr erfüllen. Die heutigen Fertigungsprozesse mit teilweise noch bis 90 Prozent manuellen Tätigkeiten sind fehleranfällig und haben Qualitätsschwankungen zur Folge. Ohnehin lassen sich viele der sehr kleinen Kabel und Kabelverbünde, die mittlerweile gebraucht werden, kaum noch von Menschen verarbeiten – auch deshalb führt an mehr Automatisierung kein Weg vorbei.

Zudem erleichtert eine automatisierte Produktion die Nachverfolgung von Teilen, weil diese durch Scansysteme ebenfalls automatisch erfasst werden können. Das hilft Bordnetzproduzenten dabei, ein lückenloses Tracking aller Materialien und Komponenten über sämtliche Verarbeitungsschritte hinweg bis hin zur Endmontage von Kabelsätzen und Kabelbäumen sicherzustellen. Dieses Tracking ist die Voraussetzung für Rückverfolgbarkeit: Bei Produktionsfehlern oder Problemen im Fahrzeugbetrieb können Hersteller schnell die betroffenen Chargen ermitteln und wo Teile aus diesen Chargen verbaut wurden. So müssen sie keine ganzen Serien zurückrufen, sondern nur gezielt einige, wenige Fahrzeuge, was die enormen Kosten von Rückrufen in der Automobilindustrie deutlich reduziert.

Überdies unterstützt das Tracking die Hersteller von Bordnetzen auch bei der Optimierung ihrer Lagerbestände und Lieferketten. Damit tragen Innovationsprojekte, mit denen sie auf veränderte Anforderungen im Markt reagieren müssen, genau zu den Kostensenkungen bei, nach denen sie in der aktuellen Krise suchen. Zudem sind sie die Basis für weitere Innovationen wie die Ausstattung der Maschinen mit zusätzlichen Sensoren und die Auswertung der Sensordaten, um durch Predictive Manufacturing die Produktqualität zu erhöhen und durch Predictive Maintenance Ausfallzeiten von Maschinen zu minimieren.

An den meisten Herausforderungen für die Branche, die durch Fahrassistenzsysteme und die Elektrifizierung des Antriebs entstehen, hat Corona nichts geändert. Unternehmen, die jetzt, trotz Krise, ihre Innovationen konsequent vorantreiben, haben aber die Chance, ihre Wettbewerbssituation zu verbessern

Vielleicht liegt in der Krise also auch eine Chance: Zum einen entwickeln sich Innovationsprojekte oft dort am besten, wo der Veränderungsdruck besonders groß ist. Zum anderen bietet eine heruntergefahrene Produktion womöglich die Gelegenheit, ganz ohne die hohe Belastung des sonst üblichen Tagesgeschäfts einen Blick auf Prozesse und Systeme zu werfen. Vielleicht entstehen Freiräume, um über neue Ideen zu diskutieren und Dinge auszuprobieren, ohne laufende Prozesse zu stören – und am Ende gestärkt aus der Krise hervorzugehen.

*Bernd Jost ist Geschäftsführer der DiIT GmbH in Krailling bei München

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