Neuer Bericht von urgewald und Deutscher Umwelthilfe deckt auf: Bundesregierung sabotiert durch Bürgschaften für die Öl- und Gasindustrie internationale Energiewende

  • Bundesregierung unterstützt in ihrer Außenwirtschaftsförderung gezielt fossile Öl- und Gasprojekte
  • 144 Exportbürgschaften im Öl- & Gasbereich von 2015 bis Mai 2021 im Wert von über 11,75 Milliarden Euro
  • Mehrzahl der geförderten Projekte befindet sich in Ländern, in denen erhebliche Menschenrechtsverletzungen stattfinden

Ein neuer Bericht der Umweltorganisationen urgewald und Deutsche Umwelthilfe (DUH) belegt, dass die Bundesregierung klimaschädliche Öl- und Gasprojekte mit milliardenschweren Bürgschaften fördert. In dem Bericht untersuchen die Organisationen klimaschädliche Öl & Gas-bezogene Exportkreditgarantien sowie Ungebundene Finanzkreditgarantien (UFK-Garantien) für den Zeitraum 2015 bis Mai 2021. In dieser Zeit bewilligte die Bundesregierung über die Euler Hermes AG 144 Exportbürgschaften im Öl- und Gasbereich mit einem Volumen von insgesamt über 11,75 Milliarden Euro. Von 28 Ländern, in die Öl- und Gasbürgschaften vergeben wurden, gelten laut Freedom House 15 Länder als „nicht frei“. Der Bericht basiert auf Zahlen, die von der Bundesregierung erstmals über eine Anfrage nach Informationsfreiheitsgesetz den beiden Organisationen zugänglich gemacht wurden.

Exportbürgschaften, wegen ihrer Bearbeitung durch die Euler Hermes AG auch „Hermesbürgschaften“ genannt, werden in Deutschland ansässigen Unternehmen und Banken gewährt, um ihre Exportgeschäfte, oft mit Ziel Entwicklungs- und Schwellenländer, gegen Zahlungsausfall abzusichern. Ungebundene Finanzkreditgarantien (UFK-Garantien) werden Banken gewährt, wenn sie an Geschäften beteiligt sind, die der Rohstoffversorgung Deutschlands dienen. Im Untersuchungszeitraum wurden keine UFK-Garantien vergeben – allerdings nicht, weil sich die Bundesregierung dagegen ausgesprochen hätte, sondern weil Anträge zurückgezogen oder nach Voranfragen nicht gestellt wurden.

Gasexperte Andy Gheorghiu, Autor des Berichts, sagt: „Es ist erschreckend, wie stark die Bundesregierung mit diesen Bürgschaften die internationale Energiewende sabotiert, indem sie hilft, die weitere Nutzung von Öl- und Gas international zu zementieren. Es ist insbesondere unhaltbar, dass die Bundesregierung Erdgas in ihrer Rohstoffstrategie weiterhin als förderungswürdigen Rohstoff einstuft, obwohl dessen klimaschädliche Wirkung wissenschaftlich belegt ist.“

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: „Mit der Förderung von Öl- und Gasprojekten im Ausland heizt die Bundesregierung die Klimakrise weiter an. Das dient nicht deutschen Interessen, sondern setzt die Zukunft von jungen Menschen aufs Spiel. Um die Klima-Limits von Paris einzuhalten, muss die Erdgas- und Erdölförderung so schnell wie möglich beendet werden. Die britische Regierung zeigt dabei den Weg: Sie wird kein Geld und keine Unterstützung mehr für fossile Energien im Ausland vergeben – ein Beispiel, dem die neue Bundesregierung folgen muss.“

Der Bericht von der DUH und urgewald stellt eine Reihe problematischer Projekte vor, die mit Bürgschaften im untersuchten Zeitraum unterstützt wurden:

  • das petrochemische Amurwerk in Ostrussland,
  • die Nord Stream 1 und 2 Pipelines,
  • der Flüssigerdgaskomplex Yamal LNG in Russland und
  • das Flüssigerdgasterminal und Gaskraftwerk Gas Natural Acu in Brasilien.  

Ebenfalls stellt der Bericht das Projekt Arctic LNG 2 heraus, neben Yamal LNG ein weiteres Flüssigerdgasprojekt in der Arktis, zu dem eine deutsche Bürgschaft beantragt wurde. Das Verfahren läuft noch, eine endgültige Entscheidung der Bundesregierung steht aus. Bürgschaften für dieses Projekt sind auch in Italien und Frankreich beantragt worden. Obwohl der französische Konzern Total zu den Hauptsponsoren des Projektes gehört, deutete Präsident Macron Anfang September 2021 beim Weltkongress der IUCN (International Union for Conservation of Nature) in Marseille an, dass seine Regierung das Projekt aus Klima- und Biodiversitätsgründen nicht unterstützen wird.

Dazu sagt Regine Richter, Energieexpertin bei urgewald: „Auch die Bundesregierung darf dieses Projekt nicht unterstützen, wenn sie ein Fünkchen klimapolitische Glaubwürdigkeit behalten will. Bei Euler Hermes selbst wird das Projekt mit potenziell signifikanten Umwelt-, Sozial oder Menschenrechtsauswirkungen gelistet.[1] Die Förderlizenzen für das Gas laufen im Fall von Arctic LNG 2 bis 2100, also weit über den Zeitpunkt hinaus, zu dem die Welt klimaneutral sein muss.“

Die DUH und urgewald stellen in dem Bericht fünf zentrale Forderungen an die Bundesregierung:

  1. Die Rohstoffstrategie der Bundesregierung und die Kriterien für UFK-Garantien müssen geändert werden, sodass die Versorgung mit fossilen Brennstoffen (inklusive Erdgas) nicht mehr förderungswürdig ist.
  2. Die Bundesregierung muss für Hermesbürgschaften klare Ausschlusskriterien für alle fossilen Brenn- und Rohstoffe und die damit verbundenen Wertschöpfungsketten definieren.
  3. In der Projektprüfung müssen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden – darunter insbesondere Zerstörung und Verschmutzung von Wasserressourcen, Verlust von Biodiversität oder negative Klimaauswirkungen – intensiv und umfangreich geprüft werden. Projekte mit negativer Bewertung in einer dieser Kategorien dürfen nicht gefördert werden.
  4. Projekte, die die Rechte indigener Völker betreffen, müssen ausgeschlossen werden, wenn letztere nicht ihre freie, vorherige und informierte Zustimmung gegeben haben.
  5. Die Transparenz über Bürgschaften und Garantien und die Projekte, die sie unterstützen, muss verbessert werden.

Link zum Bericht: https://urgewald.org/shop/klimakrise-weltweit-gefoerdert-deutschland

Notizen:

[1] https://www.agaportal.de/exportkreditgarantien/praxis/projektinformationen#node_7d3d6744-5c9e-44ac-a504-fe04eb8790ba

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