„Lernt die EZB aus ihren Fehlern?“ – der aktuelle Neuwirth Finance Zins-Kommentar

Die Zentralbanken haben sicherlich keinen einfachen Job. Das gilt insbesondere für die Europäische Zentralbank (EZB), die für einen fragmentierten Währungsraum Geldpolitik betreiben muss. In der Slowakei beträgt die Inflation derzeit 14 Prozent, wohingegen die Preise in Belgien lediglich um rund drei Prozent steigen. Das entschuldigt jedoch nicht die Tatsache, dass die EZB seit der Gründung im Jahre 1998 fatale Fehler begangen hat und fundamentale volkswirtschaftliche Mechanismen ignoriert hat. Erfahren Sie in der heutigen Ausgabe des Zinskommentars mehr über die Fehltritte der EZB und wie aus ihnen gelernt werden muss.

Lernt die EZB aus ihren Fehlern?

Die erste Fehlentscheidung wurde unter dem damaligen Präsidenten Jean-Claude Trichet während der Finanzkrise 2008 gefällt. Dieser entschied im August 2008 den Leitzins anzuheben, obwohl Europa schon in einer tiefen Rezession steckte. Dies verschlimmerte die wirtschaftliche Lage nur noch weiter, da Unternehmen nun schwieriger an Kapital kamen. Etliche Banken schränkten ihr Kreditgeschäft zeitweise fast vollständig ein. Neben der EZB reagierte die gesamte europäische Gemeinschaft viel zu spät und stürzte den Kontinent in einen wirtschaftlichen Stillstand, der in der Eurokrise und dem beinahe Bankrott von etlichen Ländern, wie etwa Griechenland oder Portugal, mündete. Amerika hingegen senkte schon 2007 erstmals die Zinsen und reagierte wesentlich zügiger und ersparte den USA damit einen langen Weg der wirtschaftlichen Erholung.

Die zweite Fehlentscheidung leistete sich ebenfalls der Franzose Trichet. Diesmal in den Zügen der Eurokrise im Jahre 2011. Die EZB beschloss damals zwei Zinserhöhungen, obwohl sich der gesamte Euroraum in einer tiefen wirtschaftlichen Krise befand und die Preise nur leicht und kurzfristig angestiegen sind. Mario Draghi übernahm noch im selben Jahr und machte die Fehlentscheidung Trichets sofort rückgängig.

Den letzten und schwerwiegendsten Fehler hat die heutige Führungsriege der EZB verursacht, indem sie den Zusammenhang zwischen der Geldmenge und der Inflation ignoriert hatte. Dieser gilt nämlich als bekannter Frühindikator der Preisentwicklung (Vgl. Abbildung 1). Steht einer Volkswirtschaft mehr liquides Kapital zur Verfügung wird dieses in der Regel auch für Investitionen und Konsum verwendet, was die Nachfrage nach Dienstleistungen und Gütern ansteigen lässt und damit auch die Preise.

Der EZB-Rat um Christine Lagarde hätte demnach schon im Jahr 2021 die Zinsen anheben müssen, während sich das Geldmengenwachstum auf dem Höchststand befand. Tatsächlich stieg der Leitzins erst im Juli 2022, als die Inflation schon bei weit über acht Prozent lag. Hätte die EZB früher reagiert, wäre womöglich die Inflation nicht allzu stark gestiegen und es wären nicht so radikale Zinsschritte wie heute angebracht gewesen.

Am Ende des Tages muss die EZB aus ihren Fehlern lernen und eine bessere Balance zwischen reaktivem und proaktivem Vorgehen finden. Als Geldmengensteuerer hätte die Europäische Zentralbank in allen drei Fällen „nur“ das Geldmengenwachstum lesen müssen und dementsprechend handeln brauchen. Lernt die EZB aus Ihren Fehlentscheidungen?

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