4. Deutscher Holzbau Kongress von FORUM HOLZBAU in Berlin

Die erneut hohe Beteiligung am Deutschen Holzbaukongress (DHK) von FORUM HOLZBAU und Landesbeirat Holz Berlin-Brandenburg am 4. und 5. Juli in Berlin-Moabit mit über 730 Teilnehmenden darf als Beweis dafür gewertet werden, dass sich die Bau- und Immobilienwirtschaft ernsthaft mit Fragen der Wirtschaftstransformation befasst bzw. mehr damit beschäftigen will. Dies zum einen vor dem Hintergrund, dass sich die Rahmenbedingungen für den Bau verschlechtert haben und man sich zur Lagebeurteilung und über die künftige Entwicklung austauschen muss. Und zum anderen, weil die Bauwirtschaft angesichts ihres Ressourcenverbrauchs und der damit verbundenen CO2-Emissionen dringend Fortschritte bei der Klimaanpassung liefern muss.

Hierfür liefern die Kongresse von FORUM HOLZBAU regelmässig Vorschläge. Die Metropolregion Berlin mit hohen Zuzugsraten und entsprechender Wohnraum- und Infrastrukturnachfrage scheint vom allgemeinen Rückwärtstrend der Bau- und Immobilienbranche aktuell weniger betroffen zu sein als andere Regionen. Und das ist sicher ein weiterer Grund für die gute Publikumsbeteiligung am DHK.

Natürlich waren in den zurückliegenden Monaten bei den Kongressen von FORUM HOLZBAU immer wieder mahnende Stimmen zu vernehmen gewesen, die die lockere Geldpolitik der EZB kritisierten und vor weniger Nachfrage nach Immobilien und einem Abflachen der damit verbundenen Baukonjunktur warnten. Insofern war eine Abkühlung zu erwarten. Weil es aber selbst unter Pandemiebedingungen und trotz Lieferkettenstörungen gut lief, insbesondere in den wirtschaftsstarken Regionen, wurden Risiken ausgeblendet. Der schroffe Rückgang seit einem Jahr habe selbst Experten überrascht, hiess es in Berlin, wobei ein militärischer Überfall Russlands auf die Ukraine eben nicht ins Kalkül gezogen worden war. Die erfolgten politischen Schritte als Reaktion auf den Überfall und die damit verbundenen Sanktionen mit Auswirkungen auf die Wirtschaft mit Leitzinsanhebungen und abrupt gestoppter Bauförderung haben den Bau als einen der wichtigen Wirtschaftsmotoren ins Stottern gebracht. Zumal, wie in anderen Wirtschaftszweigen auch, qualifiziertes Personal fehlt, weil in der Vergangenheit bei bekannter demografischer Entwicklung einfach viel zu wenig für den Aufbau von Berufsnachwuchs getan wurde. Und der Holzbau kann sich trotz seines Klimaschutzbaustoff-Bonus‘ vom Abbremsen der Dynamik am Immobilienmarkt nicht abkoppeln.

Die Lagebeurteilung und die Aussichten für den Bau bildeten den Einstieg in zwei mit Themen und Gesprächen vollgepackte Tage DHK-Kongress. Seitens der Holzwirtschaft wurde ausdrücklich begrüsst, dass die neue Bauförderung erstmals mit einem Passus zur Lebenszyklusbewertung von Gebäuden versehen wird, von der eine gewisse Lenkungswirkung in Richtung Holzbau erwartet wird. Darauf wies Dr. Denny Ohnesorge, der Vorsitzende des Landesbeirats Holz Berlin-Brandenburg und Mitveranstalter des Kongresses in seiner Co-Funktion als DHWR-Vertreter hin. Auch die von den Ministerien für Bau und Forstwirtschaft angekündigte nationale Holzbauinitiative begrüsse die Branche ausdrücklich.

Eine Analyse der Lage am Bau lieferte Pekka Sagner vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln. Die für viele Branchenmitglieder überraschend deutliche Zinswende für Baudarlehen sei einer der Hauptgründe für die negative Stimmung im Bau- und Immobilienbereich. Die Nachfrage nach langfristigen Erstdarlehen habe sich halbiert. Hinzu komme, dass sich die Preisanstiege verfestigt hätten und aus der Energiepreis-Inflation eine allgemeine Verbraucherpreis-Inflation geworden sei, wobei die Baupreisentwicklung, die der Verbraucherpreise deutlich in den Schatten stelle. Das IW rechnet daher mit weiteren Zinserhöhungsschritten der Zentralbank, ehe die Inflation für „im Griff“ erklärt werden könne. Dafür müssten aber die Preissteigerungsraten noch sinken.

Folglich hat sich der Immobilienmarkt innerhalb kürzester Zeit zum Käufermarkt gedreht, wobei in den Ballungsräumen erschwingliche Angebote fehlen und die Zahl der Transaktionen stark gesunken ist. Mieten sei plötzlich wieder attraktiver als kaufen, aber der Bedarf an Wohnraum bei weniger Fertigstellungen übe auf den Mietmarkt zusätzlichen Druck aus – in den Ballungsräumen mit Verstopfungstendenz. Im Bauhauptgewerbe seien aber enorme Auftragsrückgänge feststellbar, besonders deutlich im Wohnungsbau. Wenn noch gebaut werde, dann mit abgespeckten energetischen Standards und weniger Ausstattung. Viele Unternehmen setzten jetzt auf Förderung des sozialen Wohnungsbaus.

Im zweiten Vortrag zum Kongressauftakt riet DGNB-Geschäftsführerin und –Vorstandsmitglied Dr. Christine Lemaitre zu Sachlichkeit und weniger Emotionalität in der Debatte über Gebäude und Heizungen. „Wir müssen mal weg kommen von Nachhaltigkeits-Bauchentscheidungen und Schnellschüssen“, riet die Gebäude-Zertifiziererin. „Wir reden, ohne den Kontext zu verstehen, über Utopien und Visionen, wie es irgendwann mal kommen wird. Es wäre gut, dass wir mal aufhören, mit dem Prinzip Hoffnung eine Zukunft herbeisehnen, die einfach auch gar nicht mehr in die Welt passt, in der wir uns befinden“. Die Branche sollte systematisch und gemeinsam strategische Ziele formulieren, über Emissionen und Bestandserhalt sprechen und schnell den Paradigmenwechsel hinbekommen.

Lemaitre äusserte ihr Unverständnis, dass man technischen Modellen weiterhin so viel Relevanz beimesse, wo man kaum Gebäudedaten habe. „Wir kennen doch gar nicht die Energieverbräuche in Deutschland – das sind alles Hochrechnungen.“ Sie verwies auf Studien, die belegten, dass viele ältere Gebäude nicht so viel Energie benötigten, wie sie rein rechnerisch verbrauchen, weil die Menschen, die in diesen Gebäuden leben, gar nicht auf die Idee kämen, sie auf 22°C hochzuheizen. Lemaitre: „Die leben dort anders“. Genauso lägen Studien über sehr stark technisierte Gebäude vor, die zwar die ganze Regulatorik erfüllten, aber 30% mehr Energie verbrauchten, als sie rein rechnerisch verbrauchen dürften (performance gap).

„Wenn wir über Wirtschaftlichkeit reden, ist es mir ein Rätsel, dass wir nicht erst mal messen, was wir haben, um zu verstehen, woran es hängt.“ Die leichteste Einsparung sei doch, zunächst den Betrieb zu optimieren – ohne bauliche Umbaumassnahmen.

Gebäude seien im Übrigen die ultimative Sektorenkoppelung (Industrie, Energie, Entsorgung, Transport). Leider werde das selten ganzheitlich betrachtet. Lemaitre räumte ein, dass der Bau zwar der Sektor mit den grössten CO2-Emissionswerten sei. Er habe aber auch grösste Möglichkeiten, in andere Sektoren hineinzuwirken. Dass man nun politisch eine Sektorentrennung aufhebe, „finde ich ehrlich gesagt fatal, weil man dann ja gar nicht mehr weiss, wie es nachvollzogen werden soll. Auch der Circle of blame ist nun offen. Es ist immer ein anderer schuld, warum irgendetwas nicht passiert ist“, kritisierte die DGNB-Chefin die Regierung.

Bundesbauministerin Klara Geywitz als Gastrednerin war von der guten Teilnahme am DHK sehr angetan. Und sie bestätigte, dass das Thema Holzbau auch das Bauministerium umtreibe. Nicht zu bauen (zum Schutz des Klimas) sei keine Alternative, weil viele Wohnungen gebraucht würden. Bei aller Material- und Technologieoffenheit machte Geywitz deutlich, dass die Bundesregierung den Holzbau unterstützen will, zumal sein Anteil mit 5% am Geschosswohnungsbau noch so gering sei. Und gerade darum geht es der Ministerin: mehr Wohnraum vor allem mit seriellen und modularen Fertigungsmethoden zu schaffen und dabei Anreize für klimafreundliches Bauen mit Holz zu geben, wobei der Bund als Vorbild vorangehen solle. Das sind Punkte der Holzbauinitiative des Bundes, die das Bauministerium zusammen mit dem Forstministerium ins Leben gerufen hat. In Berlin soll es künftig einen „Runden Tisch Holzbau“ geben und der Dialog am 10. Oktober mit einer ersten Veranstaltung starten, den die Kabinettskollegen Geywitz und Özdemir begleiten werden.

Bei der anschliessenden Diskussion mit Ministerin Geywitz wurde deutlich, dass das Bundesbauministerium als Rohstoffquelle für den erwarteten Holz-Mehrbedarf für den Bau vor allem die Kiefer aus dem Waldumbau in Brandenburg im Blick hat, neben weiterhin anfallendem Kalamitätsholz. Dem Vorschlag einer Abwrackprämie für Häuser der 50er bis 70er Jahre, vor allem in Dörfern, erteilte Geywitz eine klare Absage. Um Flächen zu sparen, müsse vielmehr Substanz erhalten und dafür Anreize geschaffen werden.
Die Branchenkritik an der Muster-Holzbaurichtlinie ist der Ministerin bekannt. Zur Frage der Baukostensteigerung durch zu viele Auflagen in den Landesbauordnungen signalisierte Geywitz den Willen, sich mit den Ländern zusammenzusetzen, um insbesondere das serielle Bauen mit bundeseinheitlichen Standards zu erleichtern. Bis Ende 2023 sei die Situation günstig, weil Baden-Württemberg als Land mit viel Holzbautradition den Vorsitz in der Bauministerkonferenz innehabe. Sie bekundete auch die Absicht, durch die Digitalisierung von Planung und Genehmigung die Bauantragspraxis beschleunigen und so der Preisentwicklung entgegenwirken zu wollen. Zur geplanten Baugesetzbuch-Novelle merkte Geywitz an, dass dort der Fokus auf platzsparendes Bauen und Nachverdichtung liegen werde, aber auch die Klimaanpassung von Quartieren Berücksichtigung finden soll.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir zeichnete am Nachmittag des ersten DHK-Kongresstages die Preisträger im 6. FNR-Bundeswettbewerb „Holzbau Plus“ aus. Den mit 50.000 Euro dotierten Architekturwettbewerb gibt es seit 2012, er wird von der FNR im Auftrag des BMEL organisiert. Ludger Dederich von der Hochschule Rottenburg vertrat Tom Kaden als Vorsitzenden der 15-köpfigen Wettbewerbs-Jury. Sie hatte aus insgesamt 139 Einsendungen zehn Vorschläge für sieben Preise in verschiedenen Kategorien ausgewählt, zudem drei Anerkennungen. Für die Auszeichnung der Preisträger nahm sich Özdemir, der mit dem Rad zum Kongress gekommen war, auffallend viel Zeit und führte danach noch Gespräche mit Vertretern des Holzbaus der DHK-begleitenden Fachausstellung.

„Wir als Bundeswaldministerium wollen den Holzbau in Deutschland fördern“. Aufgabe des Wettbewerbs sei, Menschen auszuzeichnen, die Holzbau vorbildlich umgesetzt hätten und ausserdem sei er ein Vehikel, um das Anliegen des Ministeriums in die Öffentlichkeit zu tragen. Mit Holzbau können im Vergleich zu anderen energieintensiven Bauweisen rund 50% der THG-Emissionen eingespart werden und im städtischen Umfeld eröffne er die Möglichkeit der Nachverdichtung durch Aufstockung mit einer leichten Bauweise. Wichtig für die Holzwirtschaft war Özdemirs Bemerkung zum Schluss. Mit dem Kongress befinde man sich in der Grossstadt und spreche über etwas, mit dem sich die Stadt offenbar nicht selbst versorgen könne. „Es ist der ländliche Raum, aus dem das Holz kommt, mit dem gebaut werden soll. Das sollte uns in diesen Zeiten, wo manche auch den Gegensatz zwischen Stadt und Land schüren, bewusstwerden. Und dass der ländliche Raum von diesem nachhaltigen Rohstoff auch profitieren soll.“

Auch die Rückbaubarkeit von Gebäuden, die die Weiterverwendung von Bauteilen nach einer Erstnutzung erst ermöglicht, war erneut Thema beim DHK. Allerdings ist es bis zu einer funktionierenden, d.h. auch rentablen Kreislaufwirtschaft mit Weiterverwendung von gebrauchten Teilen statt Downgrading und Recycling von Material noch ein weiter Weg. In einem digitalen Gebäudepass sollen in Zukunft deren Materialien erfasst werden. Fortschritte werden bislang allerdings durch Planungs-, Demontage-, Transport- und Lagerkosten sowie die Vielfalt an Materialien und Dimensionen, ihre Verfügbarkeit und die nur bedingte Eignung im Einzelfall wieder zunichte gemacht. Grössere Chancen dürften dagegen flexible Gebäudeentwürfe und eingeplante Umnutzungsmöglichkeiten haben, wie Beispiele in Berlin zeigten. Man darf gespannt sein, was auf den kommenden Kongressen von FORUM HOLZBAU hierzu berichtet werden kann.

Der 5. Deutsche Holzbaukongress (DHK) in Berlin ist für den 11. und 12. Juni 2024 geplant.

 

Über FORUM HOLZBAU

FORUM HOLZBAU bzw. FORUM HOLZ ist eine gemeinsame Plattform der Technischen Hochschule Rosenheim (DE), der Berner Fachhochschule (CH), der Aalto University Helsinki (FIN), der Technischen Universität München (DE), der Technischen Universität Wien (AT) und der University of Northern British Columbia (CA). In Italien kooperiert man eng mit der Università di Trento. Ziel und Aufgabe des Vereins ist die Förderung des Einsatzes von Holz im Bauwesen, überschüssige Mittel werden im Sinne der Holzwirtschaft für die Unterstützung von Forschungs- und Entwicklungsprojekten von Studierenden eingesetzt.

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