TÜV-Verband kritisiert deutschen Alleingang bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsrichtlinie

Der TÜV-Verband hat die Bevorzugung von Wirtschaftsprüfern bei der nationalen Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) scharf kritisiert. Die CSRD sieht vor, dass viele Unternehmen in der EU neben der Finanzberichterstattung künftig einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen müssen. Der vorliegende nationale Gesetzentwurf verzichtet dabei auf die Möglichkeit, für die externe Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte neben Wirtschaftsprüfern auch andere unabhängige Prüfdienstleister und Auditoren mit technischen und branchenspezifischen Kenntnissen zuzulassen. „Der Webfehler des deutschen CSRD-Gesetzes verknappt die Prüfkapazitäten und lässt vorhandenes Know-how brachliegen, was zu hohen Kosten für die Unternehmen führen wird“, sagt Dr. Joachim Bühler, Geschäftsführer des TÜV-Verbands. „Die Bundesregierung und das federführende Justizministerium haben sich die Entlastung des Mittelstands und die Förderung marktwirtschaftlicher Prinzipien auf die Fahnen geschrieben. Mit diesem Gesetzentwurf machen sie das komplette Gegenteil.“ Von der verpflichtenden Prüfung ihrer Nachhaltigkeitsberichte sind rund 15.000 Unternehmen betroffen. „Die Berichtspflicht ist ein wichtiger Schritt für den Umwelt- und Klimaschutz, sollte in der Praxis aber möglichst zeit- und kosteneffizient umgesetzt werden“, betonte Bühler. Entscheidendes Kriterium dafür sei, dass die Unternehmen eine gute Auswahl an Prüfdienstleistern mit unterschiedlichen technischen und branchenspezifischen Schwerpunkten haben.

Einen offenen Prüfungsmarkt fordern neben dem TÜV-Verband weitere große Wirtschaftsverbände. Bereits im September 2023 haben sie sich in einem gemeinsamen Brief an das Bundesjustizministerium (BMJ), das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Finanzministerium (BMF) gewandt und vor Wettbewerbsnachteilen für deutsche Unternehmen gewarnt. Unterzeichnet haben das Schreiben neben dem TÜV-Verband Spitzenvertreter der Chemischen Industrie (VCI), des Maschinen- und Anlagenbaus (VDMA), der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI), der Textilindustrie (Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie) sowie der Metallindustrie (Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung WSM und WirtschaftsVereinigung Metalle). In einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Mittelstand gaben 80 Prozent der befragten Unternehmen an, dass sie sich ein möglichst breites Angebot unabhängiger Prüfdienstleister für die Überprüfung ihrer Nachhaltigkeitsberichte wünschen.

Die Verbände sind der festen Überzeugung, dass für das Prüfen von Informationen zum Thema Nachhaltigkeit zusätzliche Kompetenzen erforderlich sind, die über die rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Kenntnisse für die Prüfung von Finanzinformationen hinausgehen. Die zu prüfenden Nachhaltigkeitsangaben sind in den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) festgelegt und umfassen Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte. „Die ESR-Standards enthalten einen hohen technisch-naturwissenschaftlichen Anteil, für deren Prüfung spezifische Fachkenntnisse unerlässlich sind“, sagt Bühler. Bereits heute stehen technische Prüfdienstleister zur Verfügung, die diese Qualifikationen und die organisatorischen Voraussetzungen besitzen. Neben dem ökologischen Fachwissen verfügen sie über Kompetenzen in den Bereichen Soziales und Governance, beispielsweise für die Bewertung der Sicherheit am Arbeitsplatz, gesellschaftlichem Engagement oder der Wahrung der Menschenrechte im Unternehmen und in den Lieferketten. „Die TÜV-Organisationen prüfen Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen bereits seit vielen Jahren auf freiwilliger Basis nach internationalen Standards“, sagt Bühler. „Es gibt keine fachlichen oder wirtschaftlichen Gründe, weshalb auf bestehenden Kompetenzen und Kapazitäten unabhängiger technischer Prüfdienstleister verzichtet werden sollte.“

Darüber hinaus befürchten die Wirtschaftsverbände Wettbewerbsnachteile innerhalb Europas.  In Frankreich, Österreich, Irland und Spanien wurden so genannte unabhängige Erbringer von Bestätigungsleistungen in den nationalen Gesetzen bereits berücksichtigt bzw. sollen berücksichtigt werden. „Ein deutscher Alleingang würde die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen nachhaltig schwächen“, sagt Bühler. „Das deutsche CSRD-Gesetz läuft auf ein Konjunkturprogramm für die ‚Big Four‘ hinaus, da mittelständische Wirtschaftsprüfer kaum in der Lage sind, Finanz- und Nachhaltigkeitsberichte gleichzeitig zu prüfen.“ Der vorliegende Gesetzentwurf müsse dringend überarbeitet werden.

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