Auftakt für Forschungsprojekt

Im April startet das vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. koordinierte Projekt „Agrarsystem der Zukunft: DAKIS ‒ Digitales Wissens- und Informationssystem für die Landwirtschaft“. Gemeinsam mit neun weiteren Forschungseinrichtungen arbeiten die Forschenden an einer Vision der digitalen Landwirtschaft von morgen. @ Insgesamt 7,4 Millionen EUR stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) über einen Zeitraum von fünf Jahren hierfür bereit.

Die globale Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Die Weltbevölkerung wächst – bis 2050 auf über neun Milliarden Menschen. Während die verfügbaren Anbauflächen besonders durch Erosion, Austrocknung und Überschwemmungen weltweit rückläufig sind, steigt mit dem Klimawandel das Risiko von Ernteausfällen durch Wetterextreme. In Zukunft muss auf weniger fruchtbarem Boden also deutlich mehr geerntet werden. Gleichzeitig gilt es, den Einsatz von Dünger, chemischen Pestiziden, Wasser und Energie zu reduzieren, um Ressourcen zu sparen und Umweltfolgen zu reduzieren. Wie kann die Landwirtschaft diesen Herausforderungen begegnen, also gleichzeitig effizienter, nachhaltiger und anpassungsfähiger gegen Klimaveränderungen werden?

„Um langfristig mehr Lebensmittel zu produzieren, müssen wir einen Mittelweg finden zwischen der Intensivierung der Produktion einerseits und Nachhaltigkeitsaspekten andererseits“, sagt Prof. Sonoko Bellingrath-Kimura, Leiterin des Projektes und Agrarwissenschaftlerin am ZALF. „Die Digitalisierung gibt uns hierzu jetzt Instrumente in die Hand, mit denen wir diesen Mittelweg ausgestalten können.“ Die Forschenden wollen im Projekt DAKIS ein weltweit bisher einzigartiges Informations- und Managementsystem entwickeln, das Produktionsoptimierung mit Anforderungen aus dem Umwelt- und Naturschutz in neuen Anbausystemen verbindet.

„Mit dem DAKIS-System wird die Landwirtschaft der Zukunft Realität“, so Prof. Bellingrath-Kimura. „Wir adressieren Lösungen zu den großen Herausforderungen der Landwirtschaft: Klimawandel, Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit, erstmals in einem ganzheitlichen, digitalen Informations- und Entscheidungsunterstützungssystem, das Echtzeitdaten mit Simulation, gesellschaftlichen Bedarfen und betriebsökonomischen Faktoren kombiniert.“

Nord- und Süddeutschland: Zwei Landwirtschaftstypen als Testregionen 

In zwei landwirtschaftlich sehr unterschiedlichen Testregionen, im Bayerischen Passau und in der Uckermark in Brandenburg, soll die Anwendung entwickelt und erprobt werden. Während die Uckermark durch geringe Jahresniederschläge und eine großräumige Agrarlandschaft auf Böden mit mittlerem Ertragspotenzial gekennzeichnet ist, sind im Landkreis Passau deutlich höhere Jahresniederschläge und Böden mit hohem Ertragspotenzial in einer sehr kleinstrukturierten Landschaft zu finden.

Zunächst wird ein Status quo der beiden Regionen ermittelt: Welche Versorgungsleistungen erbringt die Landwirtschaft aktuell, d.h. wieviel Nahrung für Mensch und Tier, wieviel nachwachsende Rohstoffe werden produziert? Welche regulierenden Leistungen sind vorhanden, zum Beispiel Überflutungsgebiete, die Kapazitäten zur Freisetzung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid oder auch die Bestäubungsleistung von Nutzpflanzen? Welche Tier- und Pflanzenarten leben in den Regionen und unter welchen Bedingungen? Und schließlich werden auch kulturelle Aspekte erfasst, wie die Erholungsfunktion, Umweltbildungs- und touristische Aspekte der Agrarlandschaften. Ganz zentral für das spätere DAKIS-System: Welche Auswirkungen haben Anbaumaßnahmen auf die Artenvielfalt und die eben genannten Ökosystemleistungen, also Leistungen, die von der Landschaft zum Wohle des Menschen bereitgestellt werden?

In einem nächsten Schritt ermitteln die Forscherinnen und Forscher, wie es um die regionale Nachfrage nach diesen Ökosystemleistungen in der Gesellschaft steht. Aus den Erkenntnissen leiten sie dann ab, wie ein zentrales Management- und Informationssystem diese Nachfrage in konkrete Landnutzungsstrategien und Handlungsempfehlungen für die Landwirtschaft überführen kann. Damit stehen die Anforderungen an die Landwirtschaft.

Die vernetzte Agrarlandschaft: Sensorik und Echtzeitmonitoring

Parallel wird in beiden Testregionen ein drahtloses Sensornetzwerk, aus statischen Sensoren und aus zum Teil autonom agierenden Robotern aufgebaut. Das System erfasst kontinuierlich wichtige Landschaftsparameter, etwa zur Bodenbeschaffenheit, zum Pflanzenbestand oder zu meteorologischen Daten und verknüpft es mit satellitengestützter Beobachtung. So können Veränderungen in der Landschaft kontinuierlich beobachtet und in das Entscheidungssystem rückgekoppelt werden.

Der ideale landwirtschaftliche Betrieb: Vom Computermodell in die Realität

Mithilfe dieser Daten sowie den gesellschaftlichen Anforderungen an die Landwirtschaft berechnen Computermodelle den auf die Region angepassten „idealen landwirtschaftlichen Betrieb“, der das Spannungsverhältnis zwischen Produktionsmaximierung, Ökosystemleistungen und technischer Umsetzbarkeit perfekt ausbalanciert. Die Modelle berücksichtigen betriebsökonomische Faktoren: DAKIS soll bspw. auch in der Planung von langfristigen Investitionen, wie etwa bei der Anschaffung von Beregnungsanlagen oder Landmaschinen, unterstützen. Gleichzeitig werden die Anbausysteme auf Wirtschaftlichkeit, etwa mit Blick auf die Witterungsbedingungen, untersucht. Der Einsatz von Ressourcen, wie Wasser, Dünger und Pestiziden, wird auf ein Minimum reduziert.

Gleichzeitig soll das System kleinflächige Bewirtschaftung, sogenannten Patch-Anbau, ermöglichen. Mit diesem Wechsel im Anbausystem weg von immer größeren Feldern mit Monokulturen und tonnenschweren Landmaschinen hin zu kleineren und diverseren Feldeinheiten könnten zwei nachhaltigen Entwicklungen begegnet werden: dem Rückgang der Artenvielfalt in Agrarlandschaften sowie dem sehr eingeschränkten Anbauportfolio. Dies führt mittelfristig dazu, dass bestimmte Nutzpflanzen aussterben, weil sie schlichtweg nicht mehr angebaut werden. Gleichzeitig entstehen durch die betriebsübergreifende Vernetzung in der Landwirtschaft mit DAKIS neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit und Arbeitsteilung. Am Ende soll das System sowohl landwirtschaftliche Erträge als auch Ökosystemleistungen in Echtzeit simulieren können.

DAKIS im Einsatz

Die Ergebnisse des Monitoringsystems und der Simulationen werden in der DAKIS-Schnittstelle mit rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen gekoppelt. Auch agrarwissenschaftliches Wissen wird als Baustein im Entscheidungsunterstützungssystem DAKIS hinterlegt. Alle Datenströme werden auf einer intuitiven Benutzeroberfläche zusammengeführt, zu Handlungsempfehlungen verdichtet und für die Praxisanwendung nachvollziehbar visualisiert. Dies wird dann in beiden Testregionen mit Blick auf zwei typische Nutzungsarten, Grün- und Ackerland, getestet und weiterentwickelt. Die Forschenden untersuchen hierbei von Beginn an auch, wie die Maßnahmen mit neuartiger Technik, etwa Robotik, umgesetzt werden können und wie sich etwaige Akzeptanzbarrieren in der Praxisanwendung überwinden lassen.

Einen Artikel zum DAKIS-Projekt sowie Infografiken finden Sie in der aktuellen Ausgabe des ZALF-Forschungsmagazins FELD „Die digitale Landwirtschaft der Zukunft“: www.zalf.de/feld

Über Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V.

Das ZALF forscht an der ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltigen Landwirtschaft der Zukunft – gemeinsam mit Akteuren aus der Wissenschaft, Politik und Praxis.

Als Beitrag zur Bewältigung globaler gesellschaftlicher Herausforderungen wie Klimawandel, Ernährungssicherung, Erhalt der Biodiversität und Ressourcenknappheit entwickeln und gestalten wir Anbausysteme im Landschaftskontext, die den Bedarf an pflanzlicher Produktion mit Nachhaltigkeit verbinden. Hierzu kombinieren wir komplexe Landschaftsdaten mit einem einzigartigen Set an experimentellen Methoden, neuen Technologien, computergestützten Modellen und sozioökonomischen Ansätzen.

ZALF-Forschung ist Systemforschung: von Prozessen in Böden, Pflanzen und Wasser, über Zusammenhänge auf der Feld- und Landschaftsebene bis hin zu globalen Auswirkungen und Berücksichtigung komplexer Wechselwirkungen zwischen Landschaft, Gesellschaft und Ökonomie.

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